Produkttester auf Instagram:
Micro-Influencer oder Schmarotzer?
Ich mache zurzeit eine interessante Beobachtung auf Instagram. Für einen Kunden suche ich über die Plattform gezielt nach Produkttestern. Die Idee ist, einen stetig wachsenden Pool an Testern aufzubauen, die jeweils einmalig ein Produktset zugeschickt bekommen. Die Tester sollen das Set ausprobieren, Erfahrungen damit sammeln und diese mit ihrer Community in einem Post oder einer Story teilen.
Dazu begebe ich mich bevorzugt auf die Suche nach Micro-Influencern, die eine Größe von nicht mehr als 10.000 Abonnenten haben. Ideal ist eine Größe um die 2.000 Abonnenten. Warum? In dieser Größe muss mein Kunde zum einen noch kein zusätzliches Honorar an den Micro-Influencer zahlen (da zu kleine Reichweite). Die Tester sind in der Regel mit dem kostenlosen Produktset happy und freuen sich, dass sie von einem Unternehmen auserwählt wurden. Zum anderen sind Micro-Influencer näher an ihrer Community dran, haben deshalb ein höheres Engagement und kooperieren vor allem nicht in jedem zweiten Post mit einem anderen Unternehmen. Sprich, sie sind noch authentisch, weil sie keine Litfaßsäule auf zwei Beinen sind.
In der Vergangenheit habe ich oft gute Erfahrungen mit dieser Strategie gemacht, weil sie für Tester wie für das Unternehmen eine Win-Win-Situation bedeutet. Beide Seiten haben etwas davon: Der Tester bekommt ein Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt, das zu ihm passt und ihm einen Nutzen beschert. Und das Unternehmen zapft mit authentischem Content Zielgruppen an, an die es vorher vermutlich nicht herangekommen wäre – und muss den Post dafür nicht mal selbst erstellen!
Je mehr engagierte Tester wir haben, desto größer wird auf lange Sicht auch die Reichweite. Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass aus dem ein oder anderen Tester durchaus auch ein echter Fan werden kann, der das Produkt über die Kooperation hinaus weiterempfiehlt und unaufgefordert immer wieder darüber postet. Wichtig ist das Hegen und Pflegen dieser zarten Beziehungspflänzchen. Denn wenn ein Micro-Influencer zum Kunden konvertiert, bewegen wir uns in der Champions League des Community Managements.
Aber von meinem kleinen Exkurs ins Influencer Marketing zurück zu meiner Beobachtung.
Ich bin also, wie gesagt, seit einiger Zeit stetig auf der Suche nach passenden Micro-Influencern für meinen Kunden. Seit dieser Woche entwickelt diese Suche allerdings eine ungewollte Dynamik, die in einer Zeit angestoßen worden sein muss, in der ich noch nicht für den besagten Kunden gearbeitet habe. Eines Tages sehe ich nämlich in den Direktnachrichten meines Insta-Kunden-Kontos, dass sich eine selbsternannte „Produkttesterin“ für ein Produktset bedankt. In ihrer Story hat sie meinen Kunden verlinkt und darauf hingewiesen, dass das Set an jenem Tag bei ihr angekommen ist. Aha, denke ich mir, die kommt aber nicht über mich. Im Vorfeld hat auch kein Austausch mit mir über die Direktnachrichten stattgefunden.
Als ich mir ihr Profil anschaue, bin ich skeptisch. Schon auf den ersten Blick sehe ich, dass die junge Frau gerne verschiedene Produkte auf ihrem Instagram Account testet, Fotos davon macht und eine Rezension darüber schreibt. Die Bildqualität ist mäßig, der Schreibstil wirkt sehr nach „von der Verpackung oder Website abgeschrieben“ und die Interaktion unter den Posts passt nicht zu den über 1.000 Abonnenten. Alles in allem hätte ich dieses Profil nie im Leben ausgesucht und meinem Kunden vorgeschlagen. Warum sie trotzdem ein Produktset bekommen hat, muss ich noch herausfinden.
Ein paar Stunden später – ich saß gerade in einer Abendveranstaltung – bekomme ich über das Insta-Kunden-Konto weitere Direktnachrichten. Auf einen Schlag meldeten sich fünf verschiedene Produkttesterinnen und erklärten sich bereit, über die Produkte meines Kunden zu posten, wenn sie als Gegenleistung die Produkte kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Ich schaue mir auch diese Accounts an, die zum einen alle fast identisch aussehen. Posts von Shampoo- und Waschmittel-Probiersets beispielsweise sind grundsätzlich immer und überall dabei. Und zum anderen ist auch hier ist die Bildqualität mäßig und das Engagement passt in den meisten Fällen nicht zur Anzahl der Follower.
So langsam war ich wirklich verärgert über diese Geister, die ich definitiv nicht rief. Warum? Weil sich vor mir wieder einmal die Abgründe von Instagram auftaten. Eigentlich habe ich eine persönliche Vorliebe für die Bilderplattform, weil damit viel Schönes und Inspirierendes möglich ist. Aber leider Gottes scheint es immer noch genügend Unternehmen zu geben, die nicht durchschaut haben, wie viele User nur deshalb ein Instagram-Konto eröffnen, weil sie auf schnelles Geld – oder in diesem Fall kostenlose Produktproben – aus sind. Und das meistens ohne echten Gegenwert.
Was stört mich an diesen Produkttesterinnen, abgesehen von ihrer Dreistigkeit? Ganz einfach. Dazu muss man sich die Posts dieser Produkttest-Accounts nur einmal genauer anschauen. Es geht damit los, dass mir Accounts mit 1.000 Abonnenten und durchschnittlich 40 Likes unter den Posts grundsätzlich schon einmal komisch vorkommen. Wenn dann auch sonst keinerlei Interaktion in Form von Kommentaren stattfindet, dann ist dieser Account im Grunde so gut wie tot. Sowas gibt es auf Instagram nur, wenn es sich niemand für den Content interessiert. Außer andere Produkttester. Dazu gleich mehr.
Der nächste Punkt, der mich stört, ist, dass diese Damen wahllos und meist recht lieblos alles rezensieren, was sie in die Finger kriegen können. Bei diesen Accounts – und bei den Anfragen, die ich bekommen habe – steht fast immer zwischen den Zeilen: Hauptsache etwas umsonst abgreifen. Den Anfragen, die meist standardisiert in die Direktnachrichten hineinkopiert werden, ist deshalb in der Regel auch ungefragt eine Adresse beigefügt, an die die Produktprobe gesendet werden soll. Wozu auch lange rumquasseln?
Für die Produkttesterinnen scheint die Masche dennoch gut zu funktionieren. Denn so wie es aussieht, stören sich viele Unternehmen nicht daran, dass eine Person für viele andere Produkte – und zum Teil Konkurrenzprodukte wie Ariel und Persil! – Werbung macht. Und dass sich darüber hinaus keine echten Fans der Produkttesterinnen für die Posts interessieren – sondern nur andere Produkttesterinnen. Woher ich das weiß? Was glaubt ihr, warum ich an einem Abend auf einen Schlag fünf Produkttesterinnen an der Backe hatte? Genau deshalb, weil die Testerinnen bei einer anderen Testerin gesehen haben, dass es was zum Testen gibt. Das lässt sich auch gut an den Kommentaren, wenn es denn welche gibt, ablesen, hier ein Beispiel.
Mit anderen Worten: Produkttester-Accounts bringen null Nutzen für ein Unternehmen!
Denn hinter den tausenden Abonnenten stecken oft keine echten Communities, die sich für Produktempfehlungen interessieren. Sondern andere Tester, die wissen wollen, bei welcher Firma sie als nächstes ein Gratis-Set abgreifen können. Die Reichweiten sind beschränkt, denn die Posts werden ja sowieso nur von einem bestimmten Kreis aus Pseuso-Testern mit fragwürdigen Intentionen gesehen. Und darüber hinaus ist oft bestimmt auch fraglich, ob diese Leute die Produkte über die Kooperation hinaus weiterhin nachkaufen. Also würde ich den ganzen Produkttest-Accounts auch jegliche Authentizität und Glaubwürdigkeit absprechen wollen.
Aber wie wird man diese Geister wieder los? Ich habe eine Weile überlegt, wie ich diese Anfragen behandele. Für eine Kooperation kamen die besagten Accounts definitiv nicht infrage. Aber wie reagieren dreiste Menschen auf eine Absage? Mit noch mehr Dreistigkeit? Reite ich meinen Kunden mit maulenden, verprellten Produkttestern gar in den nächsten Shitstorm? Ich finde, dass hierbei schon ein bisschen Fingerspitzengefühl an den Tag gelegt werden sollte, auch wenn ich diese Schmarotzer-Anfragen am liebsten ignoriert und die Accounts dazu gebannt hätte.
Also was habe ich gemacht? Ich habe mich freundlich für das Interesse an den Produkten meines Kunden und das Interesse an einer Kooperation bedankt. Und ich habe ausnahmslos alle Produkttester nach Screenshots aus ihren Insights gefragt, anhand derer ich bzw. meine Kunde entscheiden kann, ob eine Zusammenarbeit infrage käme. Viele Grüße, das war’s!
Und das hat tatsächlich geholfen. Denn die Insights sind in vielen Fällen die Achillesferse dieser Produkttester-Accounts. In den Instagram Insights kann ich nämlich nachvollziehen, wie gut es tatsächlich um die Qualität, die Reichweiten und das Engagement der jeweiligen Accounts bestellt ist. Sind die Daten schlecht, kann ich zum Produkttester sagen, dass aufgrund der schlechten Zahlen aus den Insights keine Kooperation zustande kommen kann.
Durch meine Aufforderung nach Transparenz habe ich diesen Produkttesterinnen zum einen verdeutlichen können, dass mein Kunde etwas von Influencer Marketing versteht und dass er (zumindest seitdem ich für ihn arbeite) nicht jedem blind kostenlose Produktsets in den Rachen wirft. Und zum anderen haben die Testerinnen gemerkt, dass sie etwas mehr für ein Set tun müssen, als eine nette Anfrage in die Direktnachrichten zu kopieren.
Interessanterweise kam auf die meisten Transparenzanfragen meinerseits häufig nichts mehr zurück. Und ein paar wenige wussten nicht einmal, was die Instagram Insights (auf die nur Business Accounts zugreifen können) sind und haben Screenshots von ihren Profilen geschickt – warum auch immer. Auf diese Weise lassen sich also dreiste Anfragen elegant und freundlich abwimmeln. Mein Kunde steht weiterhin gut da und kann Produktrezensionen den echten Micro-Influencern überlassen.
Die Moral von der Geschichte lautet also:
- Guckt euch die Accounts genau an! Nur weil jemand 1.000 und mehr Abonnenten hat, muss das noch lange nicht heißen, dass sich eine echte Community dahinter verbirgt. 1.000 Follower sind schnell und mit sehr wenig Geld gekauft oder durch die Follow-Unfollow-Taktik aufgebaut.
- Schaut euch die Kommentare an und wer dem Account so alles folgt – das sagt meist auch viel über die Qualität der Community aus.
- Fordert im Zweifelsfall die Instagram Insights an. Diese rücken euch nämlich nur Accounts raus, die nichts zu verbergen haben.
- Und kooperiert nicht mit jedem, der die Hand aufhält, denn der Nutzen für das Unternehmen kann zum Teil bei null liegen.